Erfahrungen mit Kannenpflanzen im Terrarium

Silvia Budzinski (IG-Rundschreiben 1/2002)

Auch Pflanzen sind in letzter Zeit stark einer gewissen „Mode“ unterworfen. So scheinen momentan besonders Orchideen und auch Carnivoren sehr „in“ zu sein. Kaum ein Gartencenter oder Baumarkt, der diese Exoten in den unterschiedlichsten Arten nicht anbietet. Vor einiger Zeit sah ich in der Gartenabteilung eines Baumarktes sehr hübsche kleine Kannenpflanzen. Das Etikett sagte: Nepenthes – na klar. Artname? Fehlanzeige. Pflegeanleitung? Wieder Fehlanzeige. Hübsch sahen sie ja schon aus, die zierlichen Pflänzchen mit den hübschen kleinen Kannen. Im Terrarium wären sie sicher ein Blickfang. Hedi und Jürgen Bartosch haben ja schon einmal über ihre Erfahrungen mit solchen Pflanzen im Terrarium berichtet (vergl. RS 2/97). Also was soll’s, bei dem vergleichsweise geringen Preis kann man schon mal zuschlagen. Ich erstand drei Exemplare.

Zu Hause stand ich dann etwas ratlos vor unseren Terrarien, und wußte nicht so recht, wie ich denn nun die Pflänzchen unterbringen sollte. Wir hatten schon des öfteren auf unseren Reisen Nepenthes im natürlichen Biotop gesehen, so auf den Seychellen (Nepenthes pervillei) und auf Madagaskar (Nepenthes madagascariensis). Meist war der Standort hell, zum Teil sogar sonnenexponiert, der Untergrund aber nährstoffarm und durchlässig, so dass die Pflanzen nicht in Staunässe standen.

Nepenthes alata

Nepenthes alata

Unsere Terrarien sind mit Lecaton Kügelchen für die Hydrokultur als Bodengrund ausgestattet. Sie dort hinein zu pflanzen, wäre sicher nicht das Richtige, zumal ich die Kannen nicht auf dem Boden aufliegend, sondern hängend haben wollte. Gottlob gibt es ja das Internet. Einige Surfstunden später war ich zumindest einigermaßen über die Pflegebedingungen für Nepenthes informiert, und total begeistert über die Artenvielfalt – Platz müßte man haben.
Selbst die Identität meiner neuen pflanzlichen Pfleglinge konnte einigermaßen sicher geklärt werden. Meine Neuerwerbungen schimpfen sich wohl Nepenthes alata. Diese kleinwüchsige Art, die auf den Philippinen und Sumatra vorkommt, soll recht robust sein, da sie in ihrem natürlichen Biotop im Tiefland vorkommt, ganzjährige Temperaturen zwischen 20 und 30°C benötigt, und somit nicht die nächtlichen Abkühlungen der Hochlandformen braucht.

Da der Beckenboden nicht in Frage kam, wollte ich die Pflanzen in erhöhter Position anbringen. Stellte sich nur noch die Frage nach dem Topf und dessen Befestigung. Frei nach dem Motto „Das kann man vielleicht mal fürs Terrarium brauchen“, und Ralphs Intervention „Was willst du denn damit?“ ignorierend, hatte ich im Urlaub unser Reisegepäck mit gesammelten halben Kokosnussschalen belastet, deren Verwendungsstunde nun gekommen war. In den Boden der Schale wurden drei Löcher als Wasserablauf gebohrt, in beide Seiten je ein Loch zur Befestigung einer Kordel. Das Pflanzsubstrat für Kannenpflanzen soll locker, leicht sauer und durchlässig sein. Ich pflanzte die Nepenthes in Erde, die ich mit etwas Torf und Orchideensubstrat mischte. Zum Abdecken der Oberfläche wurde noch Sphagnum Moos verwendet. Die mit der Kordel versehenen Kokosnussschalen verteilte ich in verschiedene Terrarien. Sie wurden so platziert, dass sie zwar viel Licht abbekommen, aber nicht direkt im Lichtkegel der HQI Lampen hängen. Kannenpflanzen vertragen kein kalkhaltiges Wasser, zumindest nicht auf Dauer. Sie brauchen eine hohe Luftfeuchtigkeit von mindestens 60%, sonst werden keine Kannen ausgebildet. Das kann auch passieren, wenn sie zu dunkel untergebracht sind. Dafür bilden sie dann größere Blätter. Ich besprühe die Pflanzen täglich mit destilliertem/demineralisiertem Wasser, und auch das Substrat wird damit bis zum Durchlaufen bewässert. Das Moos speichert das Wasser für einige Zeit, und erhöht so Luftfeuchtigkeit im unmittelbaren Blattbereich. Eine Düngung scheinen sie nicht zu benötigen. Wenn überhaupt, soll stark verdünnter Tillandsien- oder Orchideendünger verwendet werden, der ebenfalls über das Sprühen verabreicht wird.

Phelsuma astriata an Nepenthes alata

Phelsuma astriata an Nepenthes alata

Die Pflanzen befinden sich nun fast ein Jahr in den Terrarien und haben sich prächtig entwickelt. Der Wuchs ist kompakt, und bis jetzt hat jedes neue Blatt auch eine Kanne ausgebildet. Die größten Kannen haben eine Länge von etwa 7 cm. Am Rande der Kannen und auf der Unterseite des Deckels sitzen zahlreiche Nektardrüsen, die wohl einen verlockenden Duft verströmen.

Es gibt bei uns natürlich noch weitere Mitbewohner, die die Kannenpflanzen sehr mögen. Klar, das sind unsere grünen „Klebefüßler“. Eine der Kokosnussschalen befindet sich bei einem Pärchen P.astriata im Becken. Beide sind ganz versessen darauf, am Rand der Kannen zu schlecken. Sehr häufig suchen beide Tiere die Pflanze auf, klettern in ihr herum, oder versuchen, mit zum Teil akrobatischen Verrenkungen, von anderen Einrichtungsgegenständen aus, die süße Nektarquelle zu erreichen. Abgeschleckt werden nicht nur der Rand der Kanne, sondern auch der Deckel und weitere äußere Teile. Das Weibchen findet die Kokosnuß offenbar besonders interessant, denn bereits zweimal hat sie ein Gelege dort versteckt. Sie wühlte sich dann zur Eiablage unter das Sphagnum Moos.

Phelsuma guimbeaui an Nepenthes alata

Phelsuma guimbeaui an Nepenthes alata

Eine der weiteren Pflanzen befindet sich bei einer Gruppe von jungen P.guimbeaui Weibchen. Auch diese sind höchst interessiert, die süße Nascherei zu nutzen. Hier kam es auch des Öfteren vor, dass ein Tier die Pflanze regelrecht bewachte, und alle anderen Interessenten vertrieb. Die letzte Nepenthes Pflanze befindet sich in einem Terrarium, das zur Zeit nur von einem adulten P.giumbeaui Weibchen und drei semiadulten Lygodactylus kimhowelli bewohnt wird. Erstaunlicherweise konnten wir dieses Weibchen noch nicht so häufig beim Naschen beobachten (mag halt nicht jeder Süßes). Auch die Lygodactylus scheinen nicht so versessen darauf zu sein.

Es gibt ca. 80 Nepenthes Arten, von denen einige sehr groß werden können, und die dadurch nicht für ein Terrarium geeignet sind. Bei Nepenthes alata handelt es sich um eine kleinere Art, deren Kannen auch nicht so groß werden, dass sie für Phelsumen gefährlich wären. Ich denke, dass man sie auch in Terrarien mit kleineren Arten wie z. B. P.klemmeri bedenkenlos verwenden kann. Allerdings würde ich in ein solches Terrarium keine kleinen Jungtiere setzen, denn für diese könnte schon die Gefahr bestehen, dass sie zwar hinein dann aber an den glatten, rutschigen Innenseiten nicht wieder hinausklettern können. Schließlich sollen die Jungen ja nicht zu „Futtergeckos“ werden.

Fazit: Kannenpflanzen sind zur Terrarienbepflanzung gut geeignet, sehen hübsch aus und bieten unseren Pfleglingen zusätzliches Naschwerk. Dies zu beobachten macht wirklich Freude!

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