Erfahrungen mit der Haltung von Taggeckos frei im Terrarienzimmer am Beispiel von Phelsuma abbotti sumptio

Mike Wenzel (IG-Rundschreiben 3/2003)

 

Die Haltung von Reptilien außerhalb der üblichen Terrarien ist ein Thema, über welches die Meinungen sehr verschieden sind. Während einige Terrarianer mit ihren „Freigängern“ positive Erfahrungen hinsichtlich Vitalität und Farbenpracht machten, glauben andere, ihren Tieren nur im Terrarium die nötige Pflege und die speziellen Temperatur-, Licht- und Feuchtigkeitswerte bieten zu können. Von den Geckos der Gattung Phelsuma eignen sich meiner Meinung nach einige Arten für eine Freihaltung im Terrarienraum. Es kommen robuste Arten in Frage, welche keine extremen Temperatur- und Feuchtigkeitswerte benötigen und mit dem Aufenthalt an den Zimmerwänden kein Problem haben. In normalen Wohnräumen haben freilaufende Taggeckos jedoch nichts zu suchen, da dort die Gefahrenquellen zu zahlreich und unkalkulierbar sind und meist auch die nötigen klimatischen Werte nicht geboten werden.

Phelsuma abbotti sumptio, Weibchen

Phelsuma abbotti sumptio, Weibchen

1999 kaufte ich ein ca. zweijähriges Paar Phelsuma abbotti sumptio. Die Tiere bezogen ein Terrarium der Maße 45x53x60 cm, welches mit Leuchtstofflampen und Sparlampen als Grundbeleuchtung und einem 70 W HQI-Strahler als Zusatzbeleuchtung ausgestattet war. Die Einrichtung bestand aus den üblichen Bambusröhren und Sansevieria-Arten. Das Weibchen, welches von Anfang an schon Häutungsprobleme hatte, legte nach einem Monat ein weichschaliges Doppelei und wurde danach endgültig rachitisch. Die Behandlung erfolgte mit einer Mischung aus Calciumgluconat, Vitamin D3 und Vitamin B-Komplex, von der an zwei aufeinander folgenden Tagen 1-2 Tropfen direkt ins Maul gegeben wurden. Nach 12 Tagen nahm ich die dritte Behandlung vor. Damit war die Rachitis beseitigt und ich unterstützte später nur noch während der Eiablagephasen mit der gleichen Mischung, welche in Fruchtbrei oder Honigwasser gegeben wurde.

3 Monate später begann die erste Eiablageperiode. Sie dauerte ca. 4 Monate, wonach es zwischen den Tieren zu massiven Beißereien kam. Das Männchen bezog ein anderes Terrarium und das Weibchen bekam 9 Monate „Genesungsurlaub“. Als das Paar anschließend wieder vereint war, herrschte bestes Einvernehmen. Bald konnte ich eine Paarung beobachten, bei der die Geckos über 18 Minuten lang in Kopula verharrten. Der Frieden dauerte wieder nur 4 Monate. Hautwunden am ganzen Körper des Weibchens sowie die fehlende Schwanzspitze waren Alarmsignale, die wieder zur Entfernung des Männchens aufriefen. Nach fünfmonatiger Pause gelang es mir nicht mehr, die Tiere im Terrarium zu vergesellschaften. Sofort nach dem Zusammensetzen kam es zu ersten Kämpfen. Da alle Terrarien mit Nachzuchten besetzt waren, wurde das Männchen ins Zimmer entlassen. Dort gewöhnte es sich innerhalb eines Vierteljahres so gut ein, dass ich den Versuch wagte, auch das Weibchen freizulassen. Seit über zwei Jahren lebt das Paar nun in meinem ca. 9 qm großen Terrarienraum.

Die im Zimmer abgelegten Eier sind selten zu finden, so dass nur die frisch geschlüpften Jungtiere eingefangen werden können. In zwei Fällen fehlte die Schwanzspitze des Gecko-Babys, da zumindest das Männchen den Jungtieren nachstellt. Mit dieser extensiven Zuchtmethode wurden jährlich 6 bis 11 Jungtiere erzielt. Während bei den im Inkubator erbrüteten Tieren die Geschlechter verteilt waren, schlüpften im Zimmer bisher vorwiegend Weibchen. Der heiße Sommer lässt mich jedoch hoffen, dass unter den kleineren Jungtieren noch zukünftige Männchen sind.

Natürlich muss die Versorgung der freilaufenden Tiere mit Wasser, Futter und Mineralstoffen sichergestellt werden. Für meine Freigänger habe ich an zwei bevorzugten Stellen Trinknäpfe aufgestellt. An diesen Plätzen erhalten sie auch Stückchen von Sepiaschalen und Brei (Fruchtbrei, Frischkäse und ähnliches). Wenn auf dem Tisch Futtertiere sortiert werden, erscheinen die Sumptio dort sehr bald, um ihren „Tribut“ zu fordern. Manchmal ist es sogar recht schwer, sie zu vertreiben, um ein Übermaß an Wachsmaden zu verhindern. Die freilaufenden Geckos versorgen sich auch selbst, indem sie entwichene Futtertiere fangen und an den Pflanzen auf dem Fensterbrett Honigtau schlecken. Selbst winzige Tiere wie Essigfliegen und frisch geschlüpfte Wachsmaden gehören zu ihrem Beutespektrum. Sicher ernähren sich unsere Taggeckos auch in der Natur mehr von kleiner Beute als von den großen „Brocken“, die wir ihnen im Terrarium oft anbieten. Da die Geckos im Zimmer nicht so regelmäßig gefüttert werden wie die Terrarientiere und zudem mehr Bewegung und größere Temperaturschwankungen ihrer Umgebung haben, ist ihre Figur deutlich besser als die vergleichbarer Terrarieninsassen.

Wer freilaufende Geckos halten will, hat die Pflicht, die Gefahren für diese Tiere möglichst gering zu halten. Die Verantwortung für unsere Tiere erfordert ein umsichtiges und vorausschauendes Verhalten des Terrarianers und setzt eine gute Kenntnis der möglichen Verhaltensweisen unserer Pfleglinge voraus. Um ein Entweichen zu verhindern, muss vor allem das Fenster mit Fliegengaze gesichert werden. Beim Schließen von Türen und Fenstern bzw. Schubladen mit Anschlag ist äußerste Vorsicht geboten, um die Tiere nicht versehentlich zu zerquetschen. Offene Schränke und Schubladen werden besonders von trächtigen Weibchen gern inspiziert. Es könnte sich als schwerer Fehler erweisen, sie ohne vorherige Kontrolle für längere Zeit zu schließen. Eine weitere Gefahr sind Hunde und Katzen, besonders weil sich zumindest Phelsuma abbotti sumptio auch gern am Boden aufhält und auch auf dem Teppichboden mitten im Zimmer angetroffen werden kann. Mit diesem Verhalten verbindet sich bei mir eine negative Erfahrung. Auf einer mitten im Raum aufgestellten Klebefalle für Schaben mit Lockstoffköder, auf welcher ich entwichene Grillen zu fangen hoffte, fand ich zwar keine Grille, aber einen Junggecko vor. Chemische Schädlingsbekämpfung verbietet sich im Terrarienraum ohnehin von selbst. Mein sumptio-Paar nutzt im Laufe des Tages den ganzen Raum auf seinen Erkundungsstreifzügen. Jede Veränderung im Raum wird umgehend untersucht. So traf ich beispielsweise das Männchen eines Tages dabei an, wie es die frische Silikonklebenaht eines mitten im Zimmer stehenden Terrariums beleckte. Für den Gecko hatte das keine Folgen, mein Schreck jedoch war groß! Ein besonderer Anziehungspunkt für meine Tiere war anfangs auch der Mülleimer. Sie fraßen dort Reste von Insekten und Schalen geschlüpfter Eier. Das Weibchen versuchte einmal, ein mit etwas Fruchtzwerg beschmiertes Blatt Küchenkrepp zu fressen. Als ich darauf aufmerksam wurde, hatte sie es bereits so weit abgeschluckt, dass sie sich selbst davon nicht mehr hätte befreien können. Es empfiehlt sich also, den Mülleimer mit einem Deckel zu sichern. Natürlich lassen sich in diesem unnatürlichen Lebensraum nicht alle Gefahren vermeiden. Auf der Jagd nach Beutetieren vollführen die Geckos beträchtliche Sprünge. Vor einiger Zeit landete das Männchen dabei auf einer scharfen Kante und brach sich den Schwanz an. Das angebrochene Stück konnte nur noch entfernt werden, die Wunde wurde mit Teebaumöl desinfiziert. Nach dieser Behandlung schien das Tier sich deutlich wohler zu fühlen und wurde bereits eine Stunde später wieder heftig balzend beobachtet.

Bei ihren Aktivitäten im Zimmer sind die Sumptio aber nicht nur als „Opfer“ verschiedenen Gefahren ausgesetzt, sie können auch als „Täter“ agieren und Schaden anrichten. Ein Problem ist der Kot der Tiere, da unsere Taggeckos nicht über die angenehme Angewohnheit einiger anderer Geckos verfügen, ihren Kot an bestimmten Plätzen abzusetzen. Unter anderem landen die Exkremente auch auf der Gaze aller Terrarien im Raum. Sollten die freilaufenden Geckos nicht gesund sein, könnte das zu einer Infizierung des gesamten Bestandes führen. P.a.sumptio sind Meister im Umkippen kleinerer Vasen mit Pflanzensenkern, welche bei mir stets reichlich herumstehen. Sie tun dies nicht wahllos, sondern bevorzugen als Zielgebiet für das Blumenwasser den neuesten Rundbrief, die noch nicht abgeschickte Nachzuchtstatistik, das Haltungstagebuch oder elektronische Geräte. Auch hohe Pflanzen im Blumentopf wie z.B. Sanseverien werden umgekippt. Dazu springt der Gecko einfach von der Wand zur Pflanzenspitze. Niedrige Orchideen wie Phalaenopsis lassen sich kaum umkippen. Es lohnt sich aber für die Phelsumen, am Blütenstand herumzuklettern und diesen dadurch abzubrechen. Danach kann der Gecko dort viel bequemer den Honigtau ablecken. Eine beliebte Beschäftigung ist auch das Umräumen nicht gesicherter, leichter Gefäße mit Futterinsekten oder Jungtieren. Bei den Jagdversuchen der Freiläufer werden diese Gefäße durchs ganze Zimmer, zumindest aber vom Tisch befördert. Interessant wird es, wenn das zu Boden gegangene Gefäß außer dem Schlüpfling auch noch Eier in allen Entwicklungsphasen enthält.

Bevor ich freilaufende Geckos hatte, war die Bekämpfung entwichener Futterinsekten bei mir die Sache einiger tropischer Springspinnen. Springspinnen sind sehr angenehm, da sie keine Netze bauen und äußerst effektiv, da sie Beutetiere überwältigen können, die deutlich größer als sie selbst sind. Leider ordneten meine Sumptio diese nützlichen kleinen Helfer erbarmungslos der Kategorie „Futtertier“ zu … . Ein ähnliches Schicksal stünde sicher auch sehr kleinen Geckos bevor, sollten sie ihr Terrarium verlassen. Sollte man des Tierchens nicht umgehend habhaft werden, hilft nur das Einfangen der adulten Freigänger. Es ist relativ leicht, sie mit einem Futtertier in ein Behältnis zu locken. Entkommen größere Tiere aus ihrem Behälter, kann sich die Sorge in Grenzen halten. Besonders die schnellen und aggressiven P. laticauda angularis haben kein Problem mit den größeren Sumptio. Auch P. guimbeaui konnten stets unverletzt wieder eingefangen werden. P. nigristriata werden so stark unterdrückt, dass sie sich in Spalten zurückziehen, in denen sie für die größeren Freiläufer unerreichbar sind. Diese Tiere müssen baldmöglichst wieder eingefangen werden, da sie nicht an Wasser und Futter herankommen. Ein großes Männchen von P. l. lineata hatte auf einem ungenehmigten Ausflug ins Zimmer einen der Eiablageplätze des sumptio-Weibchens hinter den Terrarien als Versteck gewählt und verteidigte dieses hartnäckig aber letztendlich erfolglos gegen das hochträchtige Weibchen. Größere P. grandis versuchen sich regelmäßig mit den Freiläufern anzulegen, haben aber gegen das sumptio-Männchen keine Chance. Die Quittung für diese Selbstüberschätzung sind dann ein paar ordentliche (aber harmlose) Hautverletzungen.

Interessant sind oft die Reaktionen von Terrarieninsassen auf die freilaufenden Geckos. Während die Freiläufer sich höchstens für in den Terrarien befindliche Futtertiere interessieren, reagieren die Terrarientiere höchst unterschiedlich und manchmal auch sehr heftig auf die vorüberkommenden Sumptio. Besonders aggressiv und teilweise auch mit deutlichen Lautäußerungen reagieren P. laticauda angularis und P. abbotti sumptio (ab semiadult). Gelegentlich zeigen auch P. grandis und Männchen von P. guimbeaui, P. l. lineata und P. dorsivittata aggressives Verhalten. Arten wie P. klemmeri und P. nigristriata ignorieren die Freiläufer, während ein Männchen von P. pasteuri sich einmal sogar neugierig und interessiert zeigte und die Füße des auf der Gazeabdeckung des Terrariums sitzenden sumptio-Männchens beleckte.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass meine freilaufenden P. abbotti sumptio sich in meinem Terrarienzimmer sehr wohl zu fühlen scheinen. Sie zeigen ein munteres und aufmerksames Verhalten, sind oft sehr ansprechend gefärbt und schreiten regelmäßig zur Fortpflanzung. Einige Verhaltensweisen dieser Art konnte ich im Zimmer besser beobachten als im Terrarium, manche davon werden im Terrarium wegen der zu geringen Distanz zwischen den Tieren vielleicht gar nicht gezeigt. So hat sich die eher zufällig entstandene Zimmerfreihaltung von P. abbotti sumptio für mich als echter Glücksgriff erwiesen. Das sich auf dem Fensterbrett sonnende Männchen mit seiner eisblauen Prachtfärbung bietet einen Anblick, über den ich mich immer wieder aufs neue freuen kann.

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