Eine interessante natürliche Quelle für süße Leckermäulchen

von Hedi und Jürgen Bartosch (IGP-Rundschreiben 2/97)

 

In vielen Büchern und Beiträgen, in denen die Fressgewohnheiten von Phelsumen beschrieben werden, wird auch darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Arten dieser Gattung meist sehr gerne süße pflanzliche Produkte, wie Fruchtbreis und -säfte oder auch Honig zu sich nehmen. In manchen Publikationen wird auch erwähnt, dass manche „Leckermäulchen“ im natürlichen Lebensraum auch Nektarquellen an Blüten gerne aufsuchen.

Phelsuma cepediana

Phelsuma cepediana

Seit einiger Zeit pflegen wir mehrere Exemplare der Art Phelsuma cepediana und haben dabei die Nutzung einer weiteren natürlichen Nektarquelle beobachten können: Bei der Gestaltung der Terrarien haben wir Wert darauf gelegt, den aufgeweckten Phelsumen ein möglichst naturnahes Revier zu bieten. Da wir uns seit längerer Zeit auch für insektivore Pflanzen (etwas reißerisch auch „fleischfressende“ Pflanzen genannt) interessieren und manche Arten davon nur unter feuchtwarmen Bedingungen gedeihen, lag es nahe beides zu verbinden.
So wurde ein Epiphytenast unter anderem auch mit einer Kannenpflanze (Nepenthes-Hybride, ähnlich `Mixta`) besetzt, da diese Pflanzen auch am natürlichen Standort zumeist in luftiger Höhe wachsen. Kannenpflanzen bilden, wie ihr Name schon verrät, aus dem Blatt einen kannenförmigen Fangapparat, der vorwiegend Insekten nachstellt.

Phelsuma cepediana

Phelsuma cepediana

Dafür lockt die Kanne mit Nektardrüsen am Rand und Deckel der Öffnung die Opfer an, die dann vom glatten Rand in die Kanne stürzen und diese aufgrund der glatten Wände und nach unten gerichteten Reusenhaare meist nicht mehr verlassen können. In der Kanne befindet sich eine, mit Verdauungsenzymen angereicherte Flüssigkeit, in der sich die Weichteile der Kerbtiere auflösen. Diese gelösten Verbindungen werden von speziellen Drüsen der Kanneninnenseite aufgenommen und bilden wichtige Nährstoffe für die Pflanzen an ihren meist nährstoffarmen Standorten.

Eines Tages konnten wir beobachten, wie einer der Geckos am Rand einer Kanne leckte. Seitdem er diese süße Quelle einmal entdeckt hatte, ist dieses Verhalten oft mehrmals täglich zu sehen. Zunächst hatten wir Bedenken, dass er selbst Beute der Pflanze werden könnte. Doch die Kannen sind offensichtlich nicht groß genug, um ihn gefangen zu halten. Denn eines Tages sahen wir ihn, wie er bis zu den Hinterfüßen in der Kanne steckte, das Innere „untersuchte“ und dann wieder rückwärts herauskrabbelte. Grundsätzlich muss jedoch bei großen Kannen auch von einer gewissen Gefahr für die Geckos ausgegangen werden, da man in Kannen am natürlichen Standort auch schon Überreste von kleinen Echsen gefunden hat.

Foto aus dem Buch: Tropischer Regenwald - Der Garten Eden darf nicht sterben, PRO TERRA Bücher Verlagsgesellschaft, München

Foto aus dem Buch: Tropischer Regenwald – Der Garten Eden darf nicht sterben, PRO TERRA Bücher Verlagsgesellschaft, München

Die „Symbiose“ – der Gecko leckt den Nektar und die Pflanze bekommt dafür etwas von den Futtertieren des Reptils ab – funktioniert recht gut und stellt sicherlich eine Bereicherung für das Verhaltensrepertoire im eingegrenzten Umfeld des Terrariums dar. Ob dieses Verhalten jedoch auch im natürlichen Verbreitungsgebiet auftritt, wissen wir nicht, da wir in keinem Buch oder Aufsatz bisher etwas darüber gefunden haben. Denkbar wäre es durchaus, denn nach unseren Quellen gibt es, zumindest in Madagaskar, der Heimat vieler Phelsumen-Arten, heimische Kannenpflanzenarten.

Das einzige weitere Indiz für diese Wechselbeziehung fanden wir bislang in dem interessanten Buch „Tropischer Regenwald – Der Garten Eden darf nicht sterben“ von der PRO TERRA Bücher Verlagsgesellschaft, München. Darin ist ein unkommentiertes Foto abgedruckt, das eine Phelsume (wahrscheinlich P. grandis) zeigt, die am Rand einer Kanne (wahrscheinlich Nepenthes madagascariensis) leckt. Nach dem Hintergrund zu urteilen, könnte es sich dabei durchaus um eine Freilandaufnahmen handeln.

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