Genetisch bedingte Missbildung bei R. ciliatus

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Thomas Hofmann
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Genetisch bedingte Missbildung bei R. ciliatus

Beitrag von Thomas Hofmann » Di 02 Nov, 2010 23:44

Aus gegebenen Anlass(siehe hier http://www.ig-phelsuma.de/board/viewtop ... =1&t=10495) mal ein Beispiel was passieren kann wenn Tiere zur Vermehrung gebracht werden welche einen Genetischen Defekt aufweisen.

Bei Rhacodactylus ciliatus tauchen in den letzten Jahren immer wieder Tiere auf welche eine Deformation des Beckens aufweisen. Bedingt dadurch ist es diesen Tieren nicht möglich ihren Schwanz gerade zu halten (Abb. 1), er kippt wenn sie Kopfüber an einem Ast oder der Scheibe sitzen über den Rücken. In besonders schlimmen Fällen kann er sogar auf dem Rücken aufliegen. Da R. ciliatus seinen Schwanz nicht als Fettspeicher nutzt kann ein Übergewicht des Schwanzes somit komplett ausgeschlossen werden.
Da dieses Krankheitsbild nun schon bei verschiedenen Haltern aufgetreten ist, kann sicher davon ausgegangen werden dass es sich hierbei nicht um eine Mangelerscheinung handelt. Mir ist ein Halter bekannt der diese Art bereits über einem Jahrzehnt hält und nachzüchtet und es nie zu einer solchen Erscheinung kam. Bis zu dem Zeitpunkt als ein neu erworbenes Tier in die bestehende Linie eingekreuzt wurde. Ab da an schlüpften immer wieder Tiere die nach einigen Monaten anfingen den Schwanz zu kippen. In der Alten Linie hingegen nicht! Alle Nachzuchten beider Linien wurden gleichermaßen aufgezogen und ernährt, aber nur die der Linie wo ein neues Tier eingekreuzt wurde erbrachte gelegentlich Jungtiere mit Kippschwänzen.
Ich weis von noch weiteren Haltern denen es ähnlich ging und die seither mit dem Problem zu kämpfen haben!
Die Kippschwänze können bereits wenige Tage nach dem Schlupf auftreten oder erst nach einigen Monaten. Die Veranlagung sieht man jedoch schon frühzeitig anhand der Ausformung des Beckenknochens (Abb.2).
Ach scheint es so zu sein dass diese Deformation auch mal eine Generation überspringt und erst in der z. B. übernächsten Generation wieder hervorbricht. Was die Sache nicht gerade übersichtliche gestaltet!
Allerdings muss auch festgestellt werden dass dieses Problem mehrheitlich todgeschwiegen wird, ja sogar Tieren die einen Kippschwanz zeigen, dieser abgerissen wird und die Tiere anschließend für einen 10er weniger verkauft werden.
Selbst in Fachartikeln wird diese Problematik in keinster Weise thematisiert, sondern todgeschwiegen (Wirth & Peukert 2008) wobei auch da Tiere abgebildet werden die schwerste Missbildungen aufweisen. Hier findet sich zum Beispiel eine Abb. auf Seite 32 auf der eine Paarung gezeigt wird, aber auch bei beiden Tieren eindeutig ein Kippschwanz zu erkennen ist. Das Weibchen kippt total und das Männchen kann sich mit der Schwanzspitze noch an einem Ast festhalten, wobei aber eine starke Einbuchtung des Beckens zu erkennen ist. Diese ist typisch für dieses Krankheitsbild und ist auch zu erkennen wenn der Schwanz z. B. gerade auf dem Boden aufliegt (Abb.2). Auch fällt in Besagter Veröffentlichung auf das bis auf ein Jungtier kein Tier komplett mit Schwanz gezeigt wird!

Warum?

Auf eine telefonische Anfrage eines Bekannten, bei besagten Autor (Wirth) warum dies so ist und ob es sein könne dass die Tiere ihre Schwänze kippen herrschte kurzes Schweigen in der Leitung.

Bekannter: „Die kippen wohl alle ihre Schwänze?“

Autor: „hum…“

Bekannter: „Warum wird dies dann aber nicht im Artikel angesprochen?“

Autor: „Das will doch keiner lesen!“

Den Rest kann man sich dann wohl denken…

Außerdem finden sich in besagter Ausgabe dieser Fachzeitschrift Abbildungen vom selben Autor wo ein Tier mit Überbiss des Unterkiefers gezeigt wird (S. 24 & 26 sowie Titel).
Allein dafür, ein solches Tier auf der Titelseite abzudrucken gehören dem Layouter alle zehn Finger gebrochen. Sowas ist Unseriös!

Literatur:
Wirth, M. & D. Peukert (2008): Kobolde im Blätterdach-der Kronengecko Rhacodactylus ciliatus. – DRACO, Münster, 9 (4): 23 – 36

Ich hoffe dieses Beispiel zeigt auf dass mit Missbildungen nicht zu spaßen ist und das diese einen großen Einfluss auf den Terrarienbestand nehmen können.

Denkt mal darüber nach!
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Frank M.
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Re: Genetisch bedingte Missbildung bei R. ciliatus

Beitrag von Frank M. » Mi 03 Nov, 2010 0:37

Hallo,

ich weiss nicht ob ich als Newbie das Recht habe, mich zu solchen "langfristigen" Problemen (ja ich habe beide Diskussionen vorher verfolgt) zu äussern, aber mit 40 Jahren Aquarienerfahrung glaube ich schon.

Bei den Aquarianern sind folgende Zuchtlinien auffällig:
- Königschichliden: Da wurden alle drei Unterarten vermischt zu einem Brei. Mein Favorit, die rote Form, ist nicht mehr zu bekommen.
- Schmetterlingsbuntbarsche: die charakteristische Rückenflosse ist weg (bildet sich spät aus)
- Skalare: Versucht mal eine unverfälschte Wildform zu bekommen (die mit den Streifen) :-(
- Diskus: no more comment, was da an Farben auf dem Markt ist. Die Kommunikation der Tiere per Farbänderung ist völlig unmöglich.
- Antennenwelse: Früher laichten die ab Nikolaus nach der Kirschbaum-Methode. Heute poppt ein Pärchen im Eimer beim Umzug. Das nenne ich jetzt mal Züchter-Darwinismus. Das "effektivste" Pärchen wird zur Zucht verwendet

Daher bin ich der Meinung, dass sogenannte Dampfzuchten den Tieren nicht wirklich helfen. Von Qualzuchten rede ich jetzt nicht. So gibt es Schwerträger, die sind so rot, dass die eine "Farbzellen"-Krebs bekommen. Der ist genetisch vererbt. Oder Guppies bei denen die Geschlechtsorgane durch das "Schleiergen" verformt werden. Da wird der Teenie blind zur Zucht angesetzt, denn wenn der alle MErkmale ausgebildet hat, "kann er nicht" mehr.

Zur Genetik: Es gibt reinerbige Zuchtlinien, die mindestens 100 Generationen ohen Probleme inzestartig gezüchtet wurden. Aber die Tiere waren Anfangs offensichtlich defektfrei.

Lange Rede kurzer Sinn:
Züchten um jeden Preis bringt nichts auf Dauer, auch nicht ein Züchten für den Markttrend. Die Genetik erklärt nicht alles, aber das Ziel sollte auch nicht "Tiere um jeden Preis" sein. Auch Färbungen, Unterarten sind zu beachten. Genetisch defekte Linien oder Tiere mit "Geburtsfehlern" gehören nicht in die Zucht. Ist der Anteil an deformierten Nachfahren signifikant hoch, liegt es am Paar, meiner Meinung nach.

Sollte so ein Tier getötet werden? IMHO nein. Wer sich die Mühe macht, Jungtiere aufzuziehen, hat auch Resourcen frei einem Tier das Gnadenbrot zu geben.

Nur meine Meinugn zu dem Thema...

MfG

Frank

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Dieter
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Re: Genetisch bedingte Missbildung bei R. ciliatus

Beitrag von Dieter » Mi 03 Nov, 2010 8:13

Hallo Thomas
Da pflichte ich dir uneingeschränkt bei, nur wird man da, wie du selber schon festgestellt hast, gegen Windmühlen kämpfen. Jeder, der schon eine Reptilienbörse besucht hat, kennt das Problem oder hat es zumindest schon gesehen (bewusst oder unbewusst).
Für mich ist das Problem in 3 Kategorien zu unterteilen:

1. Die von dir angesprochenen "Züchter", die aus Ignoranz auch Tiere mit Missbildungen und Gendefekten zur Fortpflanzung bringen.
2. Leute, die bewusst oder unbewusst Hybriden produzieren und diese unkontrolliert weitergeben.
3. Morphenzüchter, die aus Geldgier, oder warum auch immer, voll bewusst Tiere mit Gendefekten vermehren und bestimmte Eigenschaften mittels wiederholter Inzucht "herauszüchten".

Insbesondere die 3. Kategorie ist stark im wachsen und ich bin mir bewusst, dass ich mich mit meiner Aussage bei den Morphen-Anhängern nicht gerade beliebt mache. Trotzdem bin ich der Meinung, dass dieses Problem vermehrt zu thematisieren ist. Gerade auch die in deinem Beispiel erwähnten Rhacodactylus ciliatus unterliegen immer mehr diesem Trend. Wie weit dies in die von dir genannte Kippschwanzproblematik reinspielt, weiss ich nicht, aber auszuschliessen ist es m.E. nicht. Die Morphen-Lobby ist aber, vor allem in Übersee, mittlerweile so gross, dass sie kaum mehr zu stoppen ist. Solange es Leute gibt, die solche Tiere kaufen (z.T. zu horrenden Preisen), wird es auch solche geben, die sie züchten.

Gruss Dieter

P.S. Leute, die einem missbildeten Tier ein Gnadenbrot geben (anderer Thread), gehören m.E. zu keiner der genannten Kategorien.
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Napalm
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Re: Genetisch bedingte Missbildung bei R. ciliatus

Beitrag von Napalm » So 05 Dez, 2010 22:41

Hallo Thomas.

Ein in der Tat sehr interessantes Thema. Wir haben uns ja auch schon kurz in Zittau während eines Vortrages darüber unterhalten. Ich bin mir jedoch nicht so sicher wie du, dass dieses "Problem" unbedingt genetisch verursacht ist. Ich hatte zb schon ein Tier dass erst in einem Alter von mehreren Jahren einen Floppytail bekommen hat. Die "Kerbe" am Schwanzansatz hatte das Tier bis dahin nicht. Ebensogut möglich wäre, dass diese "Delle" am Schwanzansatz einer Folgeerscheinung des Floppytails ist und nicht die Ursache.

Auch könnten die Schlafgewohnheiten der Tiere dafür verantwortlich sein. Dieses Problem tritt nach meinen Beobachtungen ausschliesslich bei Tieren auf, die kopfüber an der Glasscheibe schlafen. Es ist auch gut möglich, dass selbst in Neukaledonien die Tiere dieses Problem haben, man es jedoch dort nicht sieht, da so gut wie alle Tiere ohne Schwanz vorkommen. Also vielleicht nicht unbedingt ein durch Menschenhand erzüchtetes "Problem".

Ich bin ebenfalls sehr für eine gründliche Selektion der Zuchttiere, und vermeide mit solchen Tieren zu züchten, allerdings eher aus Vorsicht als aus dem Grund dass ich wirklich überzeugt wäre, dass es sich um ein genetisches Problem handelt.

lg

Ingo
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Thomas Hofmann
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Re: Genetisch bedingte Missbildung bei R. ciliatus

Beitrag von Thomas Hofmann » Mo 06 Dez, 2010 5:10

Hallo Ingo,

ja genau wir habe ja zum Thema schon bei der Gecko Tagung diskutiert!
Das mit der Einbeulung ist meines Erachtens keine Folgeerscheinung des Kippschwanzes, da sie meist schon zu sehen ist bevor das Tier anfängt den Schanz zu kippen. Wie ich auch oben schon geschrieben habe kommt das Phänomen nicht nur aus einer Ecke, sondern von verschiedenen Haltern die eigentlich miteinander nichts zu tun haben. Ich glaube auch nicht dass es daran liegt wenn Tiere nur ausschließlich kopfüber schlafen. Wenn dies so wäre, hätte das Phänomen schon vor 15 Jahren bekannt geworden sein müssen!
Eigentlich ist es auch egal was die Ursache ist, jedoch steht fest dass dagegen vorgegangen werden muss, bevor wir ganicht mehr wissen was gehauen und gestochen ist!

Mir ist schon klar dass es keine so recht war haben will, aber es ist ein Fakt, und wenn wir nicht aufpassen haben wir schnelle ein Problem als es und lieb ist. :-?

Gruß
Thomas

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